Die Vergabekammer des Bundes festigt ihre Rechtsprechung zur losweisen Vergabe:

Das Beschaffungswesen kennt Lose als kleinere Auftragseinheiten. Dadurch wird ein umfangreicherer Bau-, Liefer- oder Dienstleistungsauftrag in „mittelstandsfreundlichen Portionen“ vergeben.

Der Gesetzgeber hat der losweisen Vergabe in § 97 Abs. 4 GWB den Vorrang eingeräumt. Öffentliche Auftraggeber sind grundsätzlich verpflichtet, Leistungen in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben.

Dieser gesetzlich festgelegte Vorrang dient dem Schutz der mittelständisch strukturierten Wirtschaft und der Förderung des Wettbewerbs.

Ausnahmsweise ist öffentlichen Auftraggebern die Gesamtvergabe erlaubt, sofern die wirtschaftlichen oder technischen Gründe des öffentlichen Auftraggebers an einer Zusammenfassung von Losen überwiegen. Diese Gründe müssen konkret für das einzelne Bauvorhaben gegeben sein und vom Auftraggeber gut dokumentiert werden; allgemeingültige Aussagen wie die Reduzierung des Koordinierungsaufwands beim öffentlichen Auftraggeber oder Vermeidung von Abgrenzungsproblemen bei Gewährleistungsfragen reichen nicht aus, weil damit jede Gesamtvergabe gerechtfertigt und so der gesetzgeberische Wille unterlaufen werden könnte.

Die Vergabekammer des Bundes festigte die diesbezügliche Rechtsprechung einmal mehr in ihrem Beschluss vom 15.07.2021: Eine drohende Änderung oder Anpassung bisheriger Prozesse und Organisationsabläufe beim Auftraggeber rechtfertige die Gesamtvergabe nicht. Vielmehr habe ein öffentlicher Auftraggeber den (finanziellen) Mehraufwand hinzunehmen, der dadurch entsteht, dass die Leistung nach der losweisen Vergabe künftig durch mehr Auftragnehmer erbracht wird als bisher. Denn solche drohenden Änderungen und Anpassungen seien jeder Losvergabe immanent.

Dass die Anpassung oder Änderung von Prozess- und Organisationsabläufen eine Gesamtvergabe nicht rechtfertigt, gilt nach der Vergabekammer des Bundes erst recht im Bereich von ehemaligen Monopolmärkten, die nach wie vor durch hohe Markteintrittshindernisse und einem nur langsam wachsenden Wettbewerbsumfeld gekennzeichnet sind. Denn der Vorrang der losweisen Vergabe bezwecke neben der Stärkung des Mittelstandes auch die Entstehung und Förderung eines chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs.

Für die Praxis bedeutet dies, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Ausschreibung grundsätzlich Lose zu bilden hat. Die Lose müssen jedenfalls so klein sein, dass es mittelständischen Unternehmen möglich ist, ein chancenreiches Angebot abzugeben. Dies gilt insbesondere im Bereich von ehemaligen Monopolmärkten.

Öffentliche Auftraggeber können sich an der KMU-Definition der europäischen Kommission orientieren: KMU haben weniger als 250 Beschäftigte und einen Jahresumsatz unter 50 Millionen Euro. Die Werte stellen jedoch keine fixen Grenzen dar, entscheidend ist vielmehr die relative Größe der Marktteilnehmer in Bezug zum Auftragsgegenstand. Auf der anderen Seite sollte die gesonderte Wertung des Loses und die gesonderte Abwicklung des Vertrages nicht zu unverhältnismäßigem Aufwand führen; aus der Pflicht zur Losvergabe folgt mithin nicht die Verpflichtung, unwirtschaftliche „Splitterlose“ zu bilden.

Für Fragen steht Ihnen Ihre Ansprechpartnerin Frau Prof. Dr. Angela Dageförde (zum Profil von Prof. Dr. Angela Dageförde) gerne zu Verfügung.

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