Ein öffentlicher Auftraggeber darf nach Veröffentlichung der Vergabeunterlagen nachträglich festlegen, dass die Bieter keine zweite Chance erhalten, ihr Angebot zu vervollständigen.

In dem im Januar 2023 von der Berliner Vergabekammer entschiedenen Fall ging es um die Vergabe von Landschaftsbauarbeiten.

Der Nachprüfungsantrag eines Bieters, dessen Angebot aufgrund fehlender Unterlagen vom Verfahren ausgeschlossen worden war, wurde zurückgewiesen.

Der Beschluss stützt sich auf den gesetzlich festgeschriebenen Grundsatz, der es öffentlichen Auftraggebern per se erlaubt, eine Vergabeentscheidung zu treffen, ohne fehlende Unterlagen nachgefordert zu haben. Es steht öffentlichen Auftraggebern frei, keinen Gebrauch von der Nachforderungsmöglichkeit zu machen (§ 16 a Abs. 3 VOB/A).

Einen solchen Verzicht auf das Nachforderungsrecht kann ein öffentlicher Auftraggeber auch noch nachträglich, d. h. nach Veröffentlichung, in den Vergabeunterlagen festlegen.

Die Berliner Vergabekammer bestätigt dies noch einmal sehr deutlich in ihrem Beschluss:

Es sei für Bieter im Allgemeinen erkennbar, dass das Fehlen von Unterlagen zum Ausschluss eines Angebotes führe. Der Auftraggeber sei nicht verpflichtet, auf diesen Umstand explizit hinzuweisen. Gerade weil dies für jeden, der sich im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe bewege, eine ganz logische Schlussfolgerung sei, sei es dem Auftraggeber auch erlaubt, einen Ausschluss der Nachforderung nachträglich in die Vergabeunterlagen einzuführen. Diese Änderung der Vergabeunterlagen müsse, wenn zuvor eine Nachforderung explizit angekündigt worden war, lediglich erkennbar und transparent geschehen. Abzustellen sei dabei auf einen sorgfältig handelnden Bieter, der mit den wichtigsten Regeln des Vergaberechts vertraut sei.

Bietern kann nur empfohlen werden, auf die Vollständigkeit ihrer Angebote großes Augenmerk zu legen, dabei auch die Mindestanforderungen des Auftraggebers zu beachten, und sich nicht auf eine zweite Chance zur Vervollständigung des Angebots zu verlassen.

Für Fragen steht Ihnen Ihre Ansprechpartnerin Frau Prof. Dr. Dageförde (zum Profil von Frau Prof. Dr. Dageförde) gern zur Verfügung.

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