Rahmenvereinbarungen zwischen öffentlichen Auftraggebern und Unternehmern sind beliebt in der Ausgestaltung öffentlicher Beschaffung. Sie bieten ein hohes Maß an Flexibilität, verlieren nach Auffassung des OLG Koblenz aber automatisch ihre Wirkung, wenn die vom Auftraggeber festgelegte Höchstgrenze überschritten wird.
In dem konkreten Fall ging es um ein EU-weites Vergabeverfahren, in welchem zwar eine Höchstgrenze angegeben war, jedoch nach Ansicht des OLG Koblenz nicht davon ausgegangen wurde, dass bei deren Überschreiten die Rahmenvereinbarung automatisch unwirksam würde. Vielmehr wurde explizit die Berechtigung des Auftraggebers festgeschrieben, die Rahmenvereinbarung bei Ausschöpfung des Gesamtbudgets kündigen zu können.
Das Verfahren kam zum OLG Koblenz, weil ein Bieter von der fehlenden Angabe einer Höchstgrenze ausging und dies nachprüfen lassen wollte. Die Beschwerde hatte Erfolg. Die Formulierung zum Kündigungsrecht des Auftraggebers enthalte zwar eine konkrete Zahl, jedoch sei das notwendiger Weise anzugebende Budget des Auftraggebers nicht transparent aufgestellt worden.
Durch das optionale Kündigungsrecht des Auftraggebers bei Budgetüberschreitung würde deutlich, dass der Auftraggeber nicht davon ausgegangen sei, dass die Leistungspflicht des Auftragnehmers bei Budgetüberschreitung automatisch erlischt.
Dies gerade sei aber der Fall und würde durch die Aufnahme eines Kündigungsrechtes verschleiert, sodass die Formulierungen des Auftraggebers nicht mehr den Anforderungen an die Transparenz entsprechen.
Das OLG knüpft damit an die Rechtsprechung des EuGH aus dem Jahre 2021, dass Rahmenvereinbarungen mit Erreichen ihrer Höchstgrenze ihre Wirkung verlören, an.
Es versteht das „Verlieren der Wirkung“ also als Automatismus des Erlöschens der gesamten Rahmenvereinbarung und nicht als Aufhebung der Bindungswirkung.
Die weiteren Ausführungen zur Entscheidung des EuGH lesen sich jedoch eher so, als wäre die dahinter stehende Motivation der Schutz des Auftragnehmers. Die Höchstmenge der Rahmenvereinbarung solle bindend sein, damit der Auftraggeber nicht darüber hinaus Leistungen einfordern könne, die in den ursprünglichen Vergabeunterlagen noch nicht einkalkuliert waren. Dies soll also die einseitige Einforderung von Leistungen seitens des Auftraggebers über die vereinbarte Höchstgrenze hinaus verhindern. Eine individuelle Vereinbarung der Parteien über Leistungen darüber hinaus scheint jedoch nicht ausgeschlossen. Solche Vereinbarungen sind durchaus üblich und wurden in der Vergangenheit als dem Wesen einer Rahmenvereinbarung entsprechend und im Rahmen des § 132 GWB als zulässig angesehen. Dass die EuGH Rechtsprechung hieran etwas ändern wollte, ist nicht ersichtlich.
Somit schafft das Urteil des OLG Koblenz zunächst eher mehr Unsicherheiten als Klarheiten bezüglich der Handhabung von Rahmenvereinbarungen.
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung könnte es empfehlenswert sein, bei beiderseitiger Einigkeit frühzeitig zu agieren und Abrufe über das ursprüngliche Budget hinaus zu vereinbaren, solange die Höchstgrenze noch nicht erreicht ist, sodass die Rahmenvereinbarung unstreitig noch wirksam ist und die Voraussetzungen des § 132 GWB, insbesondere das Merkmal „während der Vertragslaufzeit“ erfüllt sind.
Für Fragen steht Ihnen auch Ihre Ansprechpartnerin Frau Prof. Dr. Dageförde (zum Profil von Frau Prof. Dr. Dageförde) gerne zur Verfügung.