Die Verpflichtung in einzelnen EU-Mitgliedsstaaten, wonach Auftragnehmer bei der Erfüllung öffentlicher Aufträge ihren Arbeitnehmern einen festgelegten Mindestlohn zu zahlen haben, steht mit dem Unionsrecht in Einklang. Dies urteilte der EuGH am 17.11.2015 (Rs. C-115/14). Öffentliche Auftraggeber dürfen also für die Ausführung ihrer Aufträge eine Mindestentgeltverpflichtung als Bedingung bei der Auftragsvergabe verlangen.
Vorausgegangen war ein vor dem OLG Koblenz anhängiger Rechtsstreit zwischen einem regionalen Postdienstleister und der Stadt Landau in der Pfalz. Die Stadt hatte in einer Ausschreibung von den Bietern verlangt, sich mit ihrem Angebot zur Zahlung eines Mindestentgelts entsprechend § 3 Abs. 1 LTTG zu verpflichten. Diese Regelung sieht ein Bruttomindestentgelt von 8,50 EUR vor und besagt, dass Aufträge nur an Bieter vergeben werden dürfen, die diese Mindestentgeltverpflichtung erfüllen. Ein Bieter kam der Aufforderung der ausschreibenden Stelle nicht nach und wurde wegen fehlender Unterlagen vom Verfahren ausgeschlossen. Dies rügte der Bieter vor der Vergabekammer.
§ 3 LTTG sei mit dem Unionsrecht und insbesondere der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV nicht vereinbar. Der Vergabesenat des OLG Koblenz legte die Frage zur Vereinbarkeit der rheinland-pfälzischen Mindestlohnpflicht dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.
Der EuGH sieht die Mindestlohnpflicht allerdings im Einklang mit europäischem Recht. Art. 26 der Richtline 2004/18 über die öffentliche Auftragsvergabe (mittlerweile durch RL 2014/24 ersetzt) bestimmt, dass für die Ausführung des Auftrages Bedingungen vorgeschrieben werden können, die insbesondere soziale oder umweltbezogene Aspekte betreffen. Der EuGH stellte in seinem Urteil klar, dass die Mindestlohnverpflichtung des § 3 LTTG einen sozialen Aspekt darstellt, denn sie gewähre unter Berücksichtigung der RL 2004/18 sowie Art. 3 der Entsenderichtlinie 96/17 ein Mindestmaß an Schutz für Arbeitnehmer.
Das Gericht stellt in diesem Zusammenhang und unter Bezugnahme auf das Urteil Rüffert (C-346/06) Mindestanforderungen an eine Mindestentgeltverpflichtung auf: Diese müssen für alle öffentlichen Aufträge gelten und grundsätzlich allgemein und branchenunabhängig sein. Ferner dürfen sie keine geltenden Mindestlohnstandard überschreiten, da sonst die Rechtfertigung durch den Arbeitnehmerschutz entfalle.
Für nähere Informationen steht Ihnen gern Rechtsanwältin Dr. Angela Dageförde (Tel. 0511 590975-60) zur Verfügung.