Auftragnehmer haben grundsätzlich keinen Anspruch auf eine Preisgleitklausel. Eine solche ist nur ausnahmsweise zuzugestehen, wenn ein Sachverhalt vorliegt, der eine vernünftige kaufmännische Kalkulation zu einem Festpreis unzumutbar erscheinen lässt.
In dem von der Vergabekammer des Bundes entschiedenen Fall ging es konkret um die Ausschreibung einer Rahmenvereinbarung über die Lieferung von Klebebändern. Die einen Nachprüfungsantrag stellende Bieterin rügte das Fehlen einer Preisgleitklausel als vergaberechtswidrig. In Anbetracht der aktuellen unsicheren gesamtwirtschaftlichen Situation in Europa, insbesondere im Hinblick auf den Krieg in der Ukraine, sei es nicht rechtmäßig, eine Festpreiskalkulation von ihr zu erwarten.
Das Gericht folgte dieser Ansicht jedoch nicht. Die (welt-)wirtschaftlichen Entwicklungen seien nicht unvorhersehbar. Natürlich könne es sein, dass die Kosten der Antragstellerin zum Zeitpunkt der potentiellen Auftragsdurchführung höher seien als zur Angebotsabgabe. Jedem Bieter stände es jedoch frei, diese Preissteigerung gleich in sein Angebot mit einzukalkulieren. Hierin sei keine Benachteiligung gegenüber anderen Bietern zu sehen. Vielmehr handele es sich um die unternehmerische Freiheit eines jeden einzelnen, ob er riskiere einen Auftrag zu relativ niedrigen Festpreisen anzubieten, der schließlich aufgrund wirtschaftlicher Entwicklungen für ihn teurer werden könnte. Alternativ bestände für jeden die Möglichkeit gleich ein höherpreisiges Angebot abzugeben, auch wenn damit das Risiko eingegangen würde, den Zuschlag als vermeintlich teurerer Bieter dann nicht zu bekommen.
Hier verweist die Vergabekammer darauf, dass es den Auftraggebern sogar erlaubt sei, den Bietern ein ungewöhnliches Wagnis aufzubürden. Keine Preisgleitklausel anzubieten sei damit absolut zulässig, zumal die Situation bei allen Bietern gleich wäre und die Angebotsbedingungen aus vergaberechtlicher Sicht damit vergleichbar blieben.
Anspruch auf Preisgleitklausel im Bausektor
Anderes gilt hingegen nach wie vor im Baubereich. Hier gilt bis voraussichtlich Ende Juni 2023 eine als Sonderregelung ausgestaltete Pflicht zur Gewährung von Preisanpassungen. In diesem Sektor wurden die Folgen des Ukrainekrieges, Störungen in Lieferketten und Preissteigerungen als derart stark eingestuft, dass durch die einheitliche Einführung von Preisgleitklauseln zumindest ein einheitlicher Umgang damit gewährleistet werden soll (wir berichteten).
Losentscheidung bei Preisgleichheit
Die unabhängig von der Preisgleitklauselthematik in demselben Verfahren außerdem zur Nachprüfung gestellte Praxis des Auftraggebers bei Preisgleichheit mittels Los zu entscheiden wird ebenfalls für rechtmäßig gehalten. Abgesehen davon, dass die Situation aufgrund der so diversen Faktoren und Einzelpositionen des Leistungsverzeichnisses die zur Preisbildung führten, recht selten vorkommen sollte, sei dies zulässig. Wenn als Zuschlagskriterium vergaberechtskonform allein der Preis festgelegt worden wäre, könne bei Preisgleichstand nicht erwartete werden, weitere Zuschlagskriterien einzuführen. In diesem Falle gewährleiste eine Entscheidung per Losentscheid größtmögliche Objektivität und Diskriminierungsfreiheit.
Für Fragen steht Ihnen Ihre Ansprechpartnerin Frau Prof. Dr. Dageförde (zum Profil von Frau Prof. Dr. Dageförde) gern zur Verfügung.