Mit einem Erlass hat der Bund auf die Baustoffpreissteigerungen reagiert: Preisanpassungen sind bei öffentlichen Bauleistungen künftig möglich.
Der Krieg, den Russland gegen die Ukraine führt, führt auch auf deutschen Baustellen zu Problemen. Deutschland bezieht einen erheblichen Anteil seines Baumaterials aus Russland und der Ukraine. So kommen u.a. rund 30 Prozent des Baustahls sowie 40 Prozent des Roheisens aus diesen Ländern. Durch die Kriegsereignisse und die verhängten weltweiten Sanktionen gegen Russland sind viele Lieferketten gestört. Dies führt dazu, dass viele Baustoffe wie Baustahl, Roheisen sowie erdölbasierte Produkte nicht mehr zu bekommen sind oder erheblich teurer geworden sind. Ferner sind auch die Kosten für Energie- und Kraftstoffe enorm gestiegen.
Um den Auswirkungen für laufende und zukünftige Baumaßnahmen des Bundes entgegenzuwirken, hat das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen mit Erlass vom 25. März 2022 Praxishinweise zum Umgang mit den Lieferengpässen und Preissteigerungen herausgegeben. Sie gelten ab sofort und sind zunächst bis zum 30.06.2022 befristet. Insbesondere dürfen in neuen Vergabeverfahren Verträge über öffentliche Bauaufträge mit sog. Preisgleitklauseln versehen werden, die eine Anpassung an die Marktentwicklung ermöglichen. In Einzelfällen können auch die Preise in bereits bestehenden Verträgen angepasst werden.
Was ist eine Stoffpreisgleitklausel?
Eine Stoffpreisgleitklausel ist eine vertragliche Regelung, durch die der Auftragnehmer und der Auftraggeber keinen Festpreis für einen Baustoff oder eine Leistung, sondern lediglich einen fortzuschreibenden Basiswert vereinbaren. Sie kommt zur Anwendung, wenn ein Auftragnehmer keinen Einfluss auf die Entwicklung der Einkaufspreise für Baustoffe hat bzw. die Einkaufspreise der Stoffe und Materialien nicht im Voraus kalkulieren kann. Dadurch wird das Risiko steigender oder fallender Preise für Baustoffe möglichst gleich auf die Auftraggeber und Auftragnehmer verteilt.
Da Preissteigerungen grundsätzlich zum allgemeinen unternehmerischen Risiko des Bauunternehmens als Auftragnehmer gehören, sind Stoffpreisgleitklauseln nur ausnahmsweise zulässig.
Stoffpreisgleitklauseln für Betriebsstoffe in neuen und laufenden Vergabeverfahren
Mit dem Erlass des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen vom 25. März 2022 wird festgestellt, dass bestimmte Baustoffe wie Stahl, Aluminium und Erdölprodukte in besonderem Maße Preisveränderungen ausgesetzt sind und ein nicht kalkulierbares Preisrisiko für diese Stoffe zu erwarten ist. Sofern ein Zeitraum von mehr als einem Monat zwischen Angebotsabgabe und Lieferung bzw. Fertigstellung liegt und der Stoffkostenanteil des betroffenen Stoffes wertmäßig mindestens ein Prozent der von der Vergabestelle geschätzten Auftragssumme beträgt, können Stoffpreisgleitklauseln verwendet werden. Dies gilt insbesondere für neue Vergabeverfahren. Die Vergabeunterlagen müssen dann ein Formblatt mit Aufführung der betroffenen Stoffe, die der Preisgleitung unterworfen sind, enthalten.
In einem laufenden Vergabeverfahren, bei dem das Angebot noch nicht geöffnet worden ist, können Stoffpreisgleitklauseln nachträglich einbezogen werden. Sofern die Angebotseröffnung bereits erfolgte, ist das Verfahren zur Vermeidung von Streitigkeiten bei der Ausführung in den Stand vor der Angebotseröffnung zurückzuversetzen und die Stoffpreisgleitklausel einzubeziehen.
Anpassung bei bestehenden Verträgen?
Abgeschlossene Verträge sind grundsätzlich einzuhalten. Deshalb ist der Unternehmer bei bestehenden Verträgen verpflichtet, seine Leistungen wie beauftragt auszuführen. Allerdings ist nach dem Erlass des Bundesministeriums eine Anpassung im Einzelfall nachträglich möglich, wenn Materialien wie Stahl, Aluminium oder Erdölprodukte nachweislich nicht oder vorübergehend nicht, auch nicht gegen höhere Einkaufspreise als ursprünglich kalkuliert, durch das Unternehmen beschaffbar sind. In einem solchen Fall wird ab sofort angenommen, dass ein Fall höherer Gewalt bzw. ein nicht abwendbares Ereignis vorliegt. Dadurch verlängert sich die Ausführungsfrist um die Dauer der Nichtlieferbarkeit der Stoffe und es erfolgt ein angemessener Aufschlag für die Wiederaufnahme der Arbeiten. Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche gegen das Unternehmen entstehen nicht.
Für den Fall, dass Baumaterialien, die in dem Erlass aufgezählt sind, nur gegen einen höheren Einkaufspreis als ursprünglich kalkuliert beschafft werden können, sollen die Grundsätze über die Störung der Geschäftsgrundlage zur Anwendung kommen. Dies bedeutet, dass die betroffenen Positionen im bestehenden Vertrag angepasst werden können. Eine Anpassung kann jedoch nicht allgemein vorgenommen werden. Vielmehr sind die jeweiligen Umstände des Einzelfalls maßgeblich. Im konkreten Fall ist zu ermitteln, ob ein Festhalten am unveränderten Vertrag für die Parteien unzumutbar ist. Falls auch eine Preisanpassung nicht weiterhilft, kommt ein Rücktritt oder eine Kündigung in Betracht.
Sofern es sich um eine Preisanpassung eines bestehenden Vertrages handelt, dem ein EU-weites Vergabeverfahren zugrunde liegt, ist regelmäßig kein neues Vergabeverfahren durchzuführen. Dies ist der Fall, wenn die Änderung aufgrund von Umständen erforderlich geworden ist, die der öffentliche Auftraggeber im Rahmen seiner Sorgfaltspflicht nicht vorhersehen konnte und sich der Gesamtcharakter des Vertrages nicht verändert.
Ferner kann ein Vertrag in begründeten Ausnahmefällen zum Nachteil des Bundes geändert oder aufgehoben werden. Ein solcher Ausnahmefall liegt dann vor, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens bei Vertragserfüllung infolge ihm nicht zurechenbarer Umstände erheblich verschlechtern würde. Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen hat angekündigt, dass seine Zustimmung bei der Aufhebung oder Änderung von Vertragen ab einem Betrag von 125.000 Euro, der zum Nachteil des Bundes entstehen würde, erforderlich ist. Bei Anpassungen, die zu einem Nachteil unter diesem Wert bleiben, können die entsprechenden Stellen selbst entscheiden.
Welche Schritte muss ein Unternehmen ergreifen, um eine Preisanpassung zu erreichen?
Sofern ein Unternehmen eine Preisanpassung begehrt, muss es diese selbst beantragen. Es hat zudem darzulegen, dass die Voraussetzungen für die Preisanpassung erfüllt sind.
Für Fragen steht Ihnen Ihr Ansprechpartner Herr RA Florian Bretzel (zum Profil von Herrn RA Florian Bretzel) gerne zur Verfügung.