Der Gesetzgeber räumt öffentlichen Auftraggeber die Möglichkeit ein, Nebenangebote in Rahmen von Vergabeverfahren zuzulassen. Auf diese Weise kann der Bedeutung von Innovationen für die öffentliche Auftragsvergabe Rechnung getragen werden. Der Vergabesenat des OLG Frankfurts a.M. (Beschl. v. 15.03.2022 – 11 Verg 10/21) weist in seinem Beschluss auf die strengen Anforderungen hin, die bei der Zulassung von Nebenangeboten einzuhalten sind.
Den Beschluss traf das OLG Frankfurt a.M. anlässlich einer sofortigen Beschwerde wegen eines erfolglosen Rüge- und Nachprüfungsverfahrens. Folgender Sachverhalt lag dem Beschluss zu Grunde: Ein öffentlicher Auftraggeber schrieb eine Bauleistung in einem Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb europaweit aus. Nebenangebote wurden ausdrücklich zugelassen, wobei die Vorgabe gemacht wurde, dass Nebenangebote die vom Auftraggeber geforderten Mindestanforderungen erfüllen müssten und dies vom Bieter mit der Angebotsabgabe nachzuweisen sei. Weitere konkrete Mindestanforderungen an die Nebenangebote waren in den Vergabeunterlagen nicht enthalten. Das Nebenangebot des Klägers wurde vom öffentlichen Auftraggeber von der Wertung ausgeschlossen. Der Ausschluss wurde damit begründet, dass das Nebenangebot die Mindestanforderungen nicht erfülle und keine Gleichwertigkeit mit den im Leistungsverzeichnis vorgesehenen Leistungen gegeben wäre.
Das OLG stellte fest, dass der öffentliche Auftraggeber das Nebenangebot zu Unrecht ausgeschlossen habe. Im Grundsatz seien Bieter gehalten, solche Angebote abzugeben, die für sich genommen die Leistungsbeschreibung des Auftraggebers vollständig erfüllen. Nebenangebote seien dagegen Angebote, die von der Leistungsbeschreibung abweichen. Der öffentliche Auftraggeber habe zum einen in der Auftragsbekanntmachung oder in der Aufforderung zur Interessenbestätigung deutlich zu machen, ob er die Abgabe von Nebenangeboten zulässt. Jedoch müsse er dann auch die an sie gestellten Mindestanforderungen angeben. Den Bietern müsse es möglich sein, die Mindestanforderungen an Nebenangebote aus der Auftragsbekanntmachung und den Vergabeunterlagen zu entnehmen. Dabei müssten sie nicht zwingend als „Mindestanforderungen“ bezeichnet werden. Es genüge, wenn ein durchschnittlicher Bieter durch Auslegung der Unterlagen nach dem objektiven Empfängerhorizont Rückschlüsse auf die geforderten Mindeststandards machen kann. Ein bloßer Hinweis des Auftraggebers, dass die Nebenangebote „die Mindestanforderungen“ zu erfüllen hätten, sei insofern aber nicht ausreichend. Mit dieser Formulierung werde nicht hinreichend deutlich, unter welchen Voraussetzungen die Nebenangebote trotz Abweichung vom Leistungsverzeichnis Berücksichtigung finden würden. Nur auf diese Weise sei gewährleistet, dass die Nebenangebote der Bieter nicht – wie hier – mit der Begründung ausgeschlossen werden, sie würden zu weit von dem Hauptangebot abweichen.
Im Zuge des Beschwerdeverfahrens betonte der Vergabesenat im Weiteren auch die Unzulässigkeit einer allgemeinen Gleichwertigkeitsprüfung zwischen Haupt- und Nebenangeboten. Auch die Wertungskriterien, die für das Nebenangebot angewandt werden, müssten für die Bieter erkennbar sein. Ansonsten sei die Angebotsauswahl nicht nachvollzieh- und vorhersehbar, was einen Verstoß gegen das Transparenzgebot darstelle.
Der Beschluss betont erneut, dass die öffentlichen Auftraggeber im Rahmen der Zulassung von Nebenangeboten sorgfältig und transparent handeln müssen. Es ist aber hervorzuheben, dass auch nach Ansicht des OLG Frankfurt die Mindestanforderungen nicht bis ins Kleinste detailliert sein müssen. Es genügt, wenn der Standard und die wesentlichen Merkmale in transparenter Art und Weise festgelegt werden, die ein Nebenangebot erfüllen muss.
Für Fragen steht Ihnen Ihr Ansprechpartner Herr RA Florian Bretzel (zum Profil von Herrn RA Florian Bretzel) gerne zur Verfügung.