Bei besonderem Zeitdruck kann die Vergabekammer dem ausschreibenden Auftraggeber gestatten, den Zuschlag für eine Interimsvergabe schon früher als im üblichen Verfahren zu erteilen. Sollte die Vergabekammer dem entsprechenden Antrag des Auftraggebers jedoch nicht zustimmen, kann der begehrte Zuschlag durch das angerufene Beschwerdegericht erteilt werden (§ 169 Abs. 2 S. 7 GWB).

Diese Handhabung, festgeschrieben im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), hatte kürzlich vor dem Bayrischen Obersten Landesgericht Erfolg.

Konkret geht es in dem Fall um die Ausschreibung von Bewachungsdienstleistungen in einer Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge. Durch Einwände wettbewerbender Parteien verlängert sich die endgültige Entscheidungsfrist derart, dass sich der Auftraggeber zur Vergabe eines Interimsauftrages entscheidet. Dies soll aufgrund der zeitlichen Dringlichkeit im Wege der vorzeitigen Gestattung des Zuschlags geschehen. Von der Vergabekammer wird das Begehren jedoch zurückgewiesen, sodass es zum Bayrischen Oberlandesgericht kommt.

Das Gericht hält in den Leitsätzen seiner Entscheidung die Möglichkeit einer gerichtlichen Zuschlagserteilung im Wege des Eilrechtsschutzes für europarechtskonform. Es betont jedoch den Ausnahmecharakter einer zulässigen, für den Auftraggeber positiven Entscheidung vor dem Abschluss des Nachprüfungsverfahrens der Vergabekammer. Das Gericht betont, dass auch bei besonderes eiligen Interimsverfahren ein vorzeitiger Zuschlag nur in Betracht käme, wenn sonst nachteilige Folgen für hochwertige Rechtsgüter drohten. Außerdem müsste auch in diesem Verfahren ein möglichst umfangreicher Bieterwettbewerb ermöglicht werden. Um eine Umgehung des regulären Verfahrens zu verhindern, wäre zudem eine enge zeitliche Begrenzung der Interimsaufträge angezeigt.

Zur Gewährleistung eines wirksamen Rechtsschutzes müsste das angerufene Gericht somit nach dem Effektivitätsgrundsatz überblicksartig die Interessen der verschiedenen Parteien und der Allgemeinheit abwägen (§ 169 Abs.2 S.1 GWB).

Im vorliegenden Fall kommt das Gericht zu der Überzeugung, dass eine fehlende Überwachung einer Flüchtlingsunterkunft in heutigen Zeiten keine akzeptable Option wäre. Eine spätere bzw. nachträgliche Erbringung der Überwachungsdienstleistungen wäre zudem nicht möglich. Natürlich hätte der Auftraggeber auch früher nach einer Anschlusslösung für den auslaufenden Bewachungsvertrag suchen können, konkret wird die Verzögerung aber bei einer Arbeitsüberlastung der Vergabekammer gesehen und kann so nicht dem Auftraggeber negativ angerechnet werden. Das Interesse des Auftraggebers und der Allgemeinheit an der Gewährung eines sofortigen Zuschlags stimmen vorliegend überein. Sie dienen der Ermöglichung des Betreibens einer Flüchtlingsunterkunft. Dies ist ohne Bewachung nicht möglich, da die Gesundheit und die körperliche Integrität der Bewohner der Unterkunft gefährdet wären.

Auf der anderen Seite steht hier die Bestandsdienstleisterin, welche mit ihrem Interesse an einem rechtmäßigen Vergabeverfahren die Verzögerungen des Verfahrens begründet. Dass die Bestandsdienstleisterin nicht Teil des Wettbewerbskreises für die Interimsvergabe ist wird jedoch als gerechtfertigt angesehen. Sie dürfe nicht nur aufgrund der Position als Bestandsdienstleisterin bevorzugt werden, sondern müsse sich an der Gesamtheit der eingegangenen Angebote für das Vergabeverfahren messen lassen.

Konkret überwiegt in diesem Falle klar das Interesse an einem sofortigen Zuschlag.

Damit wird deutlich: In Ausnahmefällen ist die beschleunigte Vergabe eines Auftrags, zur Not auch über den gerichtlichen Weg, möglich.