Am 24.01.2019 hat die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen europarechtswidriger Auftragswertermittlung bei Planungsleistungen eingeleitet. Die Kommission rügt die Vereinbarkeit von § 3 Absatz 7 Satz 2 der Vergabeverordnung (VgV) mit den EU-Vorschriften für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen (Richtlinie 2014/24/EU, Richtlinie 2014/25/EU, Richtlinie 2014/23/EU), die von den Mitgliedsstaaten bis zum 18. April 2016 in nationales Recht umgesetzt werden mussten.
Ab Erreichen der EU-Schwellenwerte, welcher für Liefer- und Dienstleistungen derzeit 221.000 Euro beträgt, müssen öffentliche Auftraggeber entsprechende Aufträge europaweit ausschreiben. Einschlägig sind dann die Vorschriften der Vergabeverordnung (VgV). § 5 Abs. 8 und § 3 Abs. 7 Satz 1 VgV bestimmen für den deutschen Rechtsraum, dass bei Dienstleistungen, die in mehreren Losen vergeben werden, für die Schätzung des Auftragswerts alle Lose zugrunde zu legen sind. Gemäß § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV sind jedoch bei Planungsleistungen nur Lose über gleichartige Leistungen zusammenzurechnen. Die Vergabepraxis in Deutschland behandelt die verschiedenen Leistungen nach der HOAI (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure) nicht als gleichartige Leistungen, weswegen bei der Berechnung von Auftragswerten für ein Bauwerk bislang Planungsleistungen nicht zu addieren waren und die Gesamtvolumina mithin oftmals unter dem EU-Schwellenwert blieben.
Eben diese Vorschrift, § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV, hat die EU-Kommission nun angegriffen. Sie sieht hierin einen Verstoß gegen Art. 5 Abs. 8 RL 2014/24/EU, wonach grundsätzlich der geschätzte Gesamtwert aller Lose zusammenzurechnen ist. Eine Sonderregelung für Planungsleistungen, wie sie im deutschen Recht besteht, sei in der Richtlinie nicht vorgesehen und eine Addition sehr wohl erforderlich. Die Bundesregierung hatte nun zwei Monate Zeit, sich zu den Vorwürfen zu äußern, hat jedoch bislang keine Stellung bezogen.
Der Konflikt ist nicht neu – unter anderem im Fall „Freibad Stadt Elze“ leitete die Europäische Kommission im Jahr 2015 aus den gleichen Gründen ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ein, das jedoch aufgrund einer vollständigen Abwicklung der Planungsleistungen 2016 eingestellt wurde. Aufgrund dieser Tendenz haben wir jedoch in den vergangenen Jahren stets dazu geraten, die Planungsleistungen der Honorarteile im Zweifel zu addieren. Das nun eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren stellt insoweit einen erneuten Vorstoß der EU-Kommission in dieser Sache dar und bestätigt die Beratungspraxis unserer Kanzlei.
Wir halten Sie über das weitere Verfahren unterrichtet!
Für nähere Informationen und rechtliche Beratung zur VgV steht Ihnen Rechtsanwältin Dr. Angela Dageförde gern zur Verfügung.