Vor kurzem haben mehrere Verbände und Rechtsanwaltskanzleien über ein Urteil des OLG Düsseldorf vom 19.02.2020, Az. VII-Verg 2/19 berichtet. Danach sollen Stadtwerke nun angeblich Inhouse-fähig sein. Diese Meldungen scheinen nach unseren Erkenntnissen auf einer unzutreffenden Sachverhaltsdarstellung im Urteil des OLG Düsseldorf zu basieren. Das Urteil bezweckt nach unserem aktuellen Informationsstand keine Änderung der Rechtsprechung zur Inhouse-Vergabe.

Hintergrund

Für eine Inhouse-Vergabe nach § 108 GWB müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein.

  1. Der öffentliche Auftraggeber muss über den zukünftigen Auftragnehmer eine ähnliche Kontrolle wie über seine eigenen Dienststellen ausüben (sog. Kontrollkriterium).
  2. Mehr als 80 Prozent der Tätigkeiten des zukünftigen Auftragnehmers müssen der Ausführung von Aufgaben dienen, mit dem dieser vom öffentlichen Auftraggeber oder einer von ihm kontrollierten juristischen Person betraut wurde (sog. Wesentlichkeitskriterium).
  3. Am zukünftigen Auftragnehmer darf keine direkte private Kapitalbeteiligung bestehen.

Die erste und dritte Voraussetzung sind bei Stadtwerken oftmals erfüllt, wenn diese zu 100 % im Eigentum des öffentlichen Auftraggebers stehen. Problematisch ist hingegen meist die Erfüllung des Wesentlichkeitskriteriums. Hier erfolgt im Regelfall eine Betrachtung anhand der von dem Stadtwerk erzielten Umsätze. Zur Frage, ob der Vertrieb von Strom und Gas als Umsatz zu bewerten ist, der auf einer „Betrauung“ durch die Kommune beruht, wurde bislang ein Urteil des OLG Hamburg vom 14.12.2010 (Az. 1 Verg 5/10) heran gezogen. Dieses hatte den Vertrieb von Strom und Gas an Letztverbraucher als „Fremdumsatz“ eingestuft, unabhängig davon, ob die Umsätze hieraus innerhalb des eigenen Netzes auf dem Gebiet der Kommune erzielt werden, oder außerhalb. Da dieser Geschäftsbereich bei vielen Stadtwerken einen nennenswerten Anteil zum Gesamtumsatz beiträgt, ist die 20 %-Schwelle des § 108 GWB häufig überschritten. Das Wesentlichkeitskriterium ist dann nicht erfüllt und eine Inhouse-Vergabe der Kommune an das eigene Stadtwerk unzulässig.

Stellt das Urteil des OLG Düsseldorf vom 19.02.2020 nun eine Abkehr von der Rechtsprechung des OLG Hamburg dar?

Das OLG Düsseldorf hat in der Begründung des Urteils vom 19.02.2020 folgendes festgestellt:

„Die Beigeladene zu 1) war gemessen am durchschnittlichen Gesamtumsatz in den Jahren 2016, 2017 und 2018 zu 87,38 % für die Antragsgegnerin tätig, indem sie Leistungen im Öffentlichen Personennahverkehr und der Energieversorgung im Stadtgebiet der Antragsgegnerin erbracht hat.“, Rn. 48.

Eine Begründung dieser Feststellung enthält das Urteil nicht. Auch wird nicht ausgeführt, was das OLG Düsseldorf unter „Energieversorgung im Stadtgebiet“ überhaupt versteht. Den Vertrieb von Strom und Gas? Den Betrieb der örtlichen Strom- und Gasnetze?

Aus diesem Satz wurde in den veröffentlichten Meldungen geschlossen, dass nun Stadtwerke auch dann Inhouse-fähig sein können, wenn sie Strom im Wesentlichen innerhalb des Stadtgebietes der beherrschenden Kommune vertreiben.

Mittlerweile hat eine weitere Rechtsanwaltskanzlei zu dem Urteil eine Mitteilung veröffentlicht. Das Urteil basiert danach auf einer unzutreffenden Sachverhaltsdarstellung. Die „Energieversorgung im Stadtgebiet“ sei gar kein Geschäftsfeld der vom OLG Düsseldorf in Bezug genommenenGesellschaft (Beigeladene zu 1). Unterstellt man die Richtigkeit dieser Mitteilung, hätte sich das OLG Düsseldorf gar nicht mit der Frage auseinander gesetzt, ob die Energieversorgung im Stadtgebiet als Tätigkeit im Rahmen einer „Betrauung“ durch den öffentlichen Auftraggeber einzustufen ist.

Ergebnis

Der Hintergrund der Entscheidung des OLG Düsseldorf lässt sich derzeit noch nicht vollständig aufklären. Es bleibt abzuwarten, inwieweit das OLG Düsseldorf sein Urteil berichtigt. Es scheint sich aber abzuzeichnen, dass das Urteil keine neue Sichtweise zur Inhouse-Fähigkeit von Stadtwerken beinhaltet. Öffentliche Auftraggeber sollten deshalb eine Inhouse-Vergabe an Stadtwerke weiterhin sehr detailliert prüfen. Eine pauschale Bezugnahme auf die kursierenden Mitteilungen, dass eine Inhouse-Vergabe an Stadtwerke nun „zulässig“ sei, können wir nach dem aktuellen Informationsstand nicht empfehlen.

Ihr Ansprechpartner zu dem Urteil des OLG Düsseldorf: Dr. Sven Höhne (zum Profil von Dr. Höhne).